Französisches Baurecht – Versicherungspflicht, Bauherren, Subunternehmer, Versicherungsschutz.
I.) Versicherungspflicht in Frankreich
Die sog. « garantie décennale », eine Gewährleistungsversicherung in Frankreich, die zwingend von den in Frankreich tätigen Bauunternehmen bereits vor Beginn der eigenen Arbeiten abgeschlossen werden muss und dem Bauherrn vorzulegen ist, deckt gewisse schwere Mängel und Schäden, die nach Bauabnahme auftreten, ab. Eine Gerichtsentscheidung muss nicht abgewartet werden. Die Regelungen zur Décennale Versicherung sind gem. Art. 1792-5 Code Civil zwingend (ordre public). Ausnahmen hiervon und abweichende vertragliche Absprachen zwischen den Partein sind mithin nicht möglich.
Da es sich bei der Décennale Versicherung um eine gesetzliche „Zwangsversicherung“ gem. Art. L. 241-1 Code des Assurances handelt sieht der Gesetzgeber ebenfalls vor, dass bei evtl. Ablehnen der Bauversicherer, einen Bauunternehmer zu versichern, das sog. „Bureau Central de Tarification“ eine Versicherung verpflichten kann.
In diesem Zusammenhang ist wichtig zu verstehen, dass das französische Baurecht von einer zehnjährigen Garantiehaftung sämtlicher Baubeteiligten ggü. dem Bauherrn gem. Art. 1792 Code Civil ff. ausgeht. Das hat zur Folge, dass die Beweislast bei den einzelnen Baubeteiligten liegt, die bis max. zehn Jahre nach Abnahme für gewisse schwerwiegende Schäden und Baumängel haften (Art. 1792-4-3 Code Civil). Eine Exkulpation der Baubeteiligten ist daher nur möglich, wenn diese nachweisen können, dass der Baumangel und/oder Schaden, der nach Abnahme auftritt, aufgrund von höherer Gewalt, einem Drittunternehmen oder gar vom Bauherrn selbst verursacht wurde.
Der Mindestversicherungsschutz ist gesetzlich bestimmt und muss auch in den Versicherungspolicen ebenfalls enthalten sein.
Ausgenommen von der Versicherungspflicht (nicht zu verwechseln mit der oben genannten Garantiehaftung) sind gemäss Art. L. 243-1-1 Code des Assurances gewisse Bauleistungen.
Sollten französische oder ausländische Bauunternehmen ohne Décennale Versicherungsschutz in Frankreich bauen, obwohl dies gesetzlich zwingend vorgesehen ist, können gem. Art L. 243-3 Code des Assurances Strafgelder i.H. v. 75.000 Euro und Bewährungsstrafen von max. 6 Monaten verhängt werden. Zu bedenken ist ebenfalls, dass der Bauherr die Zahlung der Schlussrechnungen solange verweigern kann bis der Bauunternehmer den Versicherungsnachweis erbringt.
In der Regel zahlen die französischen Baunternehmer einen gewissen Prozentsatz von ihrem erwirtschafteten Jahresumsatzes (zwischen 0,5 % und 1,5 % je nach Grösse, Schadenshäufigkeit und Fachrichtung) an den Décennale Versicherer. Im Gegenzug sind sodann alle laufenden und angezeigten Bauprojekte während des Jahres von der Décennale Versicherung abgedeckt.
II.) Versicherungspflichtige Unternehmen in Frankreich:
Von der Pflicht, eine Décennale Versicherung abzuschliessen, sind alle Baubeteiligten, d.h. Baunternehmen, Immobilienentwickler, Projektsteuerer, Architekten, Techniker, Planungsbüros und Unternehmen, die mit dem Bauherrn einen Werkvertrag unterzeichnet haben, betroffen. Hiervon sind ausländische Bauunternehmen und Architekten, die an einem Bauprojekt in Frankreich beteiligt sind, nicht ausgeschlossen.
III.) Französischer Bauherr:
Der französische Bauherr unterliegt seinerseits der Verpflichtung, gem. Art. L. 242-1 Code des Assurances eine Bauherrnversicherung (Assurance „dommages-ouvrages“) abzuschliessen. Hierbei handelt es sich um eine Vorfinanzierungsversicherung für Gewährleistungsschäden und Mängel, die ebenfalls von der „décennale Versicherung“ erfasst sind (siehe V). Vorteilhaft ist wiederum, dass auch hier ein Gerichtsurteil nicht abgewartet werden muss, sondern der Bauherr relativ zügig (max. innerhalb von 3 Monaten ab Versicherungsmeldung) eine finanzielle Entschädigung erhält um die Baumängel und Schäden beheben zu lassen.
IV.) Französische Subunternehmer:
Subunternehmer in Frankreich sind von dieser gesetzlichen Pflicht, eine Décennale Versicherung abzuschliessen, grundsätzlich ausgenommen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Subunternehmer nach Abnahme nicht zehn Jahre lang für Baumängel und Schäden haften würden. Es ist hierbei auch zwingend auf den Wortlaut der Subunternehmerverträge zu achten. In diesen wird häufig von den Subunternehmern vertraglich die Stellung einer eigenen Décennale Versicherung vorgesehen.
Ausländische Bauunternehmer, die in Frankreich bei Bauvorhaben als Subunternehmer frz. Generalunternehmer tätig sind, sollten daher vor Unterzeichnung der Subunternehmerverträge diese Besonderheit besonders prüfen. Es ist oftmals möglich, dass der französische Generalunternehmer den ausländischen Subunternehmer in seinen eigenen Décennale Versicherungsschutz aufnehmen kann.
V.) Décennale – Versicherungsschäden :
Von der zehnjährigen gesetzlichen Garantiehaftung und dem Versicherungsschutz sind grundsätzlich alle verdeckten Baumängel und Schäden ab Abnahme umfasst,
- die die Solidität des Gewerkes (z.B. Dach und Fundament) oder
- die den Nutzungszweck des Gebäudes beeinträchtigen (Dichtheit oder grössere Risse im Gebäude).
Hierunter fallen auch unabtrennbare Ausstattungselemente (z.B. eingebaute Zentralheizung).
Es ist auch unerheblich, ob diese Baumängel und Schäden bei klassischen Bauarbeiten (Neubauten und Anbauten) oder lediglich Renovierungsarbeiten nach deren Abnahme auftreten. Arbeiten lediglich im Innenbereich der Gebäude fallen unter den Versicherungsschutz, wenn diese mit dem Gebäude oder dem Rohbau fest verbunden sind (z.B. Einbauküchen).
Ausgeschlossen von der gesetzlichen Garantiehaftung und somit auch dem Versicherungsschutz sind die bei Abnahme sichtbaren Baumängel und Schäden, die der Bauherr akzeptiert hat (das gilt auch für die weiteren vertraglichen Ansprüch des Bauherrn).
VI.) Versicherungsschutz:
Von der Décennale Versicherung sind grundsätzlich bei Vorliegen der Versicherungsschäden nach Abnahme alle entstehenden Kosten, die anfallen, um dementsprechenden Reparaturarbeiten durchzuführen, abgedeckt.
Neben der gesetzlichen zehnjährigen Garantiehaftung für die oben genannten versteckten Baumängel und Schäden nach Abnahme bestehen parallel die „normalen“ gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen der Baubeteiligten (vor allem aus dem Bauvertrag und gem. Art. 1147 ff. Code Civil). Der grosse Unterschied zu der gesetzlichen zehnjährigen Garantiehaftung und somit auch der Décennale Versicherung ist jedoch die Beweislast, die bei vertraglichen Ansprüchen nun der Bauherr trägt. Dieser muss sodann nachweisen, dass der Baumangel von dem dementsprechenden Bauunternehmen verursacht wurde.
Bei grösseren Bauprojekten in Frankreich stellt der Bauherr selbst ebenfalls ein sog. CCRD (Contrat Collectif de Responsabilité Décennale), d.h. eine zusätzliche kollektive Décennale-Versicherung, die ab Erreichen einer bestimmten Schadenshöhe einschreitet (z.B. Rohbau ab 10.000.000 Euro). Ferner besteht auch die sog. „franchise“, d.h. ein finanzieller Selbsteinbehalt, den die Décennale-Versicherer den Versicherungsnehmern nach Abdecken des Schadensfalles gegenüber geltend macht.
Abzugrenzen ist die französische zehnjährige Garantiehaftung und somit auch der Décennale – Versicherungsschutz abschliessend noch von:
- der zweijährigen sog. „garantie biennale“ bei welcher der Baubeteiligte innerhalb von 2 Jahren nach Abnahme mangelhafte Ausstattungselement, die nicht untrennbar mit dem Gebäude verbunden sind, reparieren oder ersetzen muss,
- der einjährigen sog. „garantie de parfait achèvement“, bei der innerhalb von einem Jahr nach Abnahme und in Abgrenzung zur décennale Versicherung jeder versteckte Mangel vom Baubeteiligten behoben werden muss (ausgenommen sind hiervon jedoch wiederum Abnutzungsmängel).
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Eine Information von ALARIS AVOCATS.